Ablösungsprozess

Die anfangs schon erwähnte „adoptierte“ Wertewelt des jeweiligen Kultes kann sich für das Mitglied eventuell als nicht mehr tragfähig erweisen. Jetzt gilt es neue, diesmal eigene Perspektiven zu formulieren und umzusetzen. Das ist für viele Aussteiger eine große Herausforderung.

Die Probleme, die unmittelbar mit dem Verlassen eines Kultes einhergehen, variieren von Person zu Person. Beobachtet wurden z. B.:

Post Traumatic Stress Disorder, Dissoziation, Depressionen, Perspektivlosigkeit, Schuldgefühle, Misstrauen, Angst, Kommunikationsstörungen, Entscheidungsunfähigkeit, Isolationsempfindungen, Sorge und Trauer, Verlegenheit, Entfremdungsgefühle, geringes Selbstvertrauen, Wut und Ärger, Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, irrationales Denken, Schlafstörungen und Albträume, Spiritualisierung des Alltags, Tendenz zu erneuter Abhängigkeit und tiefe philosophische/religiöse Fragestellungen.

Begleitet wird das Verlassen eines Kultes zudem von sogenannten Floatingerfahrungen. Dieses „Floating“ wird durch die unterschiedlichsten Alltagssituationen (z. B. eine bestimmte Melodie, Geruch, ein bestimmtes Wort, bestimmte Farben) ausgelöst, die in der Erinnerung des Aussteigers mit seiner Kultphase gekoppelt sind. Dieser komplexe Zustand versetzt die Person kurzfristig in den Bewusstseinszustand der Kultidentität zurück. Auch aus diesem Grund ist es äußerst wichtig, dass Kultaussteiger in dieser Phase nicht sich selbst überlassen bleiben.